Roggen und Erschmatt

Eine Tradition, die noch heute gelebt wird


Geschichte des Roggens in Erschmatt

Mann erntet Roggen in Erschmatt nach traditioneller Art
© Arnold Steiner

Getreide ist seit Jahrtausenden eine der wichtigsten Nahrungsquellen für Menschen und Tiere. Das Hauptgetreide der jeweiligen Region nennt man «Korn». Hauptgetreide in den Bergdörfern des Wallis war der Roggen, denn er stellt wenig Ansprüche an den Boden und das Klima und ist sehr winterhart. Fast 2000 Jahre alt ist die Geschichte des Roggens im Wallis, vermutlich auch in Erschmatt.

Vor 1850

Wir wissen, dass Erschmatt schon vor mehr als 2400 Jahren bewohnt war. Der Roggen wurde vorerst in unmittelbarer Dorfnähe angebaut. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Einwohnerzahl, und damit wurde auch die bewirtschaftete Ackerfläche grösser. Im Jahre 1535 regelten die Männer von Ersch in der ersten Bauernzunft unter anderem, wann und wie Äcker zu pflügen sind und wann sie nach der Ernte beweidet werden können. Die zweite Bauernzunft aus dem Jahre 1753 sprach dann explizit von der Oberen und Unteren Zälg. Ausführlich werden darin die genauen Regeln zur Bewirtschaftung festgehalten.

Um 1850 erreichte der Anbau von Roggen in Erschmatt seinen Höhepunkt.

1850 bis 1956

Steiner Gustav - Transport

Das Dorf versorgte sich immer selbst mit Roggen. Um 1850 war die Roggenfläche am grössten. Ab dann kamen einerseits die Kartoffeln dazu, andererseits wandte man sich vermehrt der Viehwirtschaft zu. Später dann konnten die Leute Mehl und Brote im Tal kaufen. Bis zum Bau der Strasse (1956) wurden die Waren mit Rückenkörben oder Maultieren ins Dorf transportiert (siehe Foto mit Steiner Gustav). Seit Beginn der Industrialisierung (Lonza und Alusuisse) brauchten diese Betriebe zahlreiche Arbeitskräfte, um den Schichtbetrieb aufrechtzuerhalten. Das war eine Verdienstquelle und die Familien konnten so Lebensmittel auch kaufen und mussten nicht alles selber herstellen. Trotzdem war der Ackerbau immer ein wichtiges Element, nicht nur im Jahreslauf, sondern auch im Selbstverständnis der Bevölkerung.

1956 bis 2000

Mit dem Bau der Strasse von Leuk nach Erschmatt im Jahre 1956 wurde der Transport von Grundnahrungsmitteln einfacher. Der Anbau von Roggen ging stark zurück. Ab Anfang der 1980er Jahre engagierten sich der Verein Pro Erschmatt und der Sortengarten für die Erhaltung der Roggenkultur und die alte Erschmatter Roggensorte.

Die althergebrachte Art, Roggenbrot zu backen, blieb in Erschmatt lebendig bis heute. Die Familien des Dorfes buken ihr Brot im Dorfbackofen im Burgerhaus zu festgelegten Zeiten. Früher war das zweimal jährlich zur notwendigen Selbstversorgung, heute nur noch einmal jährlich als kulinarische Ergänzung oder als familiär-gesellschaftliches Treffen.

 

2000 bis heute

Die Tradition des Burgerbackens hat sich bis heute gehalten. Jeweils am Jahresende wird der grosse Backofen eingeheizt, die Familien und Gruppen organisieren sich selber und stellen schichtweise nach einem vereinbarten Turnus ihr eigenes Roggenbrot her.

Der 2003 gegründete Verein Erlebniswelt Roggen Erschmatt setzt sich für die Erhaltung des Kulturerbes rund um den Roggen ein. Er ermöglicht es interessierten Gruppen und Schulklassen das ganze Jahr hindurch, Roggenbrot unter Anleitung nach traditioneller Art zu backen.

Eine Genossenschaft entstand im Jahre 2006 mit dem Ziel, in Erschmatt eine Bäckerei aufzubauen, welche Roggenbrot für den Markt herstellt. Eine 2012 gegründete Stiftung übernahm dieses Ziel und konnte im Jahre 2017 im Roggen Zentrum eine Bäckerei und ein Restaurant eröffnen. 2021 folgte das Hotel.

Sehenswürdigkeiten im Zusammenhang mit Roggen

Im ganzen Wallis sind die Terrassenlandschaften, die Stadel und Speicher mit ihren Mäuseplatten, alte Mühlen und Dorfbacköfen sichtbare Zeugen einer früheren Zeit mit Roggenanbau und der Selbstversorgung mit Roggenbrot. In vielen Walliser Orten dienen diese Einrichtungen teils noch ihrem ursprünglichen Zweck, so auch in Erschmatt, wo man den Weg vom Korn zum Brot in allen Etappen noch sehen und kennenlernen kann:



Filmserie - Vom Korn zum Brot

In der Filmserie ROGGEN - VOM KORN ZUM BROT erinnern sich die beiden Zeitzeugen Gregor Schnyder und Peter Locher zurück an die Jahre, als Roggen noch zum täglichen Nahrungsmittel gehörte. Ihre Geschichten und Anektoden vermitteln dem Besucher einen Einblick in das Leben eines Bergdorfes von einst und heute. Beide bauten bis in die 1990er Jahre ihren eigenen Roggen an. Durch sie erfahren wir auf anschauliche und humorvolle Weise den Weg des Samens bis zum Backen im alten Backhaus.


Die Filmserie ist ein ein audiovisuelles Erinnerungsprojekt von Stephan Hermann und Philipp Eyer [Verein LEBENDIGE GESCHICHTE(N)] in Zusammenarbeit mit dem Verein Erlebniswelt Roggen Erschmatt.


Biologische Vielfalt in den Walliser Bergen

Wer nach Erschmatt kommt, trifft in der Felsensteppe einen ganz speziellen Lebensraum an. Die trockenwarmen Hänge bieten ein Biotop für Tiere und Pflanzen, die man eher im Mittelmeergebiet erwartet. Weiter oben, rund ums Dorf, sind einige schöne Blumenwiesen und viele Insekten anzutreffen (leider nicht mehr so reichhaltig wie noch vor wenigen Jahren). Zwischendurch hört man einen Wiedehopf, einen Kuckuck oder sogar einen Wendehals, eventuell zieht ein Schlangenadler seine Kreise.


Akteure um den Roggen

Zwei Organisationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen sind in Erschmatt im Bereich Roggen tätig: Ein Verein engagiert sich für die Pflege und Förderung des Natur- und Kulturerbes rund um den Roggen; eine Stiftung betreibt ein Hotel, ein Restaurant und eine Bäckerei.


Roggen-Events und Führungen

Vielfalt der Kulturpflanzen und der Ackerbegleitflora, Roggen dreschen, wannen, mahlen, Roggenteig kneten und im Holzofen Brot backen, das Dorf mit seinen Gebäuden besuchen - das erleben Sie an unseren Führungen und Anlässen. Daneben erfahren Sie viel über das Leben von früher in einem Walliser Bergdorf, über die Vielfalt, über die Tradition des Roggenbrotes und anderes mehr. Willkommen in Erschmatt!

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© Bilder von Arnold Steiner